UMWELTMINISTER OLAF LIES: „STUDIE SCHAFFT FUNDIERTEN ERKENNTNISHORIZONT ZUM ERHALT EINER STABILEN WOLFSPOPULATION – PRINZIP ‚HOFFNUNG‘ KEINE GRUNDLAGE FÜR UMGANG MIT DEM WOLF“ –
Umweltminister Olaf Lies erklärt dazu: „Für eine vorausschauende Wolfspolitik brauchen wir zügig eine aussagekräftige, wissenschaftliche Datenbasis. Wir wollen sicherstellen, dass Niedersachsen seinen Anteil an einer gesunden, vernetzten Wolfspopulation in Deutschland leistet. Gleichzeitig können wir nicht einfach abwarten und zusehen, ob das exponentielle Wachstum der Population der vergangenen Jahre sich tatsächlich irgendwann verlangsamt, wenn wir in wenigen Jahren eine dreistellige Zahl von Rudeln allein bei uns in Niedersachsen haben. Das Prinzip ‚Hoffnung‘ ist keine Grundlage für den Umgang mit dem Wolf. Dafür brauchen wir einen wissenschaftlich fundierten Erkenntnishorizont, den wir mit dieser Studie schaffen.“
In Deutschland wird auf Bundesebene für das Monitoringjahr 2019/2020 von insgesamt 176 Wolfsterritorien ausgegangen, darunter 128 Wolfsrudel, 39 Paare und neun sesshafte Einzeltiere. Aufgrund der sehr ungleichen räumlichen Verteilung sind einige wenige Bundesländer, darunter Niedersachsen mit seinem hohen Bestand an Weidetieren, jedoch besonders betroffen. Obwohl die erste Reproduktion von Wölfen in Niedersachsen erst 2012 bestätigt wurde, finden sich in einigen Regionen Niedersachsens mittlerweile die mitunter höchsten Wolfsdichten weltweit. Für das laufende Monitoringjahr sind in Niedersachsen bereits 36 Territorien gemeldet, was einem Zuwachs von 57 Prozent zum Vorjahr entspricht.
Laut einer vom Bund in Auftrag gegebenen Habitat-Modellierungsstudie, besitzt Deutschland das Potential für ca. 700-1400 Wolfsterritorien. Bei dieser Betrachtung einer maximal möglichen Besiedlung durch Wölfe bleiben die negativen Auswirkungen und die sich ergebenen Konflikte für Nutz- und Weidetierhaltung und den Erhalt anderer gefährdeten Arten jedoch außer Betracht. Lies: „Hier haben wir den Bund bis hin zu Bundesratsinitiativen bereits vielfach aufgefordert, diesen Aspekt besser zu untersuchen.“ Da sich die Population noch immer in der exponentiellen Wachstumsphase befindet, stellt sich die Frage nach der aus Artenschutzsicht erforderlichen Wolfsdichte. „Für den Erhalt der Biodiversität bedeutet das, dass wir uns auch Gedanken über eine kritische Untergrenze der Wolfspopulation machen müssen. Es geht darum zu wissen, welche Größe die Wolfspopulation in unserem Land braucht, um etwa auch eine schwere Räude unbeschadet zu überstehen“, so Lies weiter. In diesem Zusammenhang hat auch die Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Umweltstaatssekretärinnen und -sekretäre vereinbart, den Bund um die Ermittlung der günstigen Referenzpopulation für den Wolf zu ersuchen. Hier fehle es schlicht noch an Erkenntnissen, so Lies.
Dabei geht es dem Umweltminister vor allem auch um mehr Normalität im Umgang mit dem Wolf: „Ein großes Raubtier wie der Wolf ist für eine dauerhafte Koexistenz insbesondere auf die Akzeptanz der ländlichen Bevölkerung angewiesen, denn mit zunehmendem Populationswachstum nehmen erfahrungsgemäß insbesondere die Nutztierschäden, aber auch die Nahbegegnungen und damit die Konflikte zu. Zwar liegt der Hauptfokus der Bemühungen aller Bundesländer auf der Prävention, also dem Schutz der Nutztiere. Das ist allerdings landschaftlich bedingt nicht überall in gleichem Umfang möglich (z. B. auf Deichen oder bei Hütehaltung). Gleichzeitig lernen einzelne Rudel mittlerweile vielerorts, geeignete Schutzmaßnahmen zu umgehen.“
Dass sich diese Umstände auch auf die Akzeptanz des Wolfes in den ländlichen Gebieten auswirke, zeige eine jüngst vom NABU veröffentlichte FORSA-Umfrage. Lies: „60 Prozent der Befragten befürworten, dass Wölfe, die Nutztiere reißen, kontrolliert abgeschossen werden sollen. In Bundesländern, in denen es de facto keine Wölfe gibt, ist diese Zahl geringer. Die, die den Wolf nicht vor der Haustür haben, sehen auch kein Problem damit. Aber Menschen in ländlichen Regionen haben hier naturgemäß eine andere Wahrnehmung.“
Derartige Mensch-Tier-Konflikte bezüglich ökonomischer und sozialer Interessen sowie potentielle negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt seien laut Lies in einer Kulturlandschaft unumgänglich und führten zu der Frage nach einem gesteuerten Wachstum im Rahmen eines Managementplans: „Wir können nicht alles dem Schutz von einzelnen Wölfen unterordnen. Als Grundvoraussetzung für ein Management, das nicht bestandsgefährdend ist, muss daher die Populationsgröße definiert werden, welche nach anerkannten Kriterien den Erhalt der Art Wolf dauerhaft sichert.“
Die Studie wird nun von dem Wiener Institut erstellt. Ergebnisse sollen im Winter 2021 vorliegen. Die Kosten belaufen sich auf 90.000 Euro.